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Praktikum Chirurgie (Gruppe5)

Amb/OPI

Amb/OPI
 

Kursleiter: Dr. M. Mahfouz

Referenten:

OP-Pfleger Herrn J. Pawlak

Anaesthesiepfleger Herrn D. Noak

Dr. M. Mahfouz

 

Inhalt:

Chirurgisches Nahtmaterial /Nahttechniken

OPI

  • Atemtherapie in der postoperativen Pflege
  • Leitlinien zur Primärversorgung von Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma

Leitlinie Intensivmedizin (Tabellen)

  • Zentralvenenkatheter
  • Apparative Beatmung Auswahl und Einstellung

 

 Chirurgisches Nahtmaterial

Geschichte des Nahtmaterials in der chirurgischen Medizin

Die Geschichte der chirurgischen Naht reicht bis in die Anfangszeit der Menschheit zurück. Jedoch entwickelten sich spezifische chirurgische Materialien zur Naht erst im Industriezeitalter.

In der Frühzeit wurde praktisch zur chirurgischen Naht dasselbe Material eingesetzt welches zur Naht von Kleidern, Stoffen, Tüchern etc. zur Verfügung stand. Dies waren in erster Linie Haare, Tiersehnen, aus Tierdärmen gedrehte Fasern, gesponnene Fäden aus Pflanzenfasern, aus Leder oder Pergament geschnittene feine Streifen wurden sowohl  zum Anfertigen von Kleidung eingesetzt als auch zum Verschluß von Wunden.

Das erste "echte" Nahtmaterial gibt es seit 1860 mit der Einführung des Karbol-Catguts nach Lister. Dieses desinfizierte Catgut wurde ergänzt durch ein Chromcatgut welches 1881 auf den Markt kam. Damit war das erste spezielle Nahtmittel für die Chirurgie im Angebot. Erst 1906 wurde das erste wirklich sterile Catgut geschaffen und ab 1909 im industriellen Maßstab gefertigt.

1931 entstand das erste synthetische resorbierbare Material aus Polyvinylalkohol in Zusammenarbeit von Wacker-Chemie und B. Braun Melsungen.

1939 wurde ein ummantelter Polyamidfaden (Supramid) von BASF entwickelt der 1946 im klinischen Bereich eingeführt wurde. Weiter folgten Collafil, ein synthetischer Collagenfaden 1939 und Polyesther 1950.

Etwa um diese Zeit etablierte sich auch die Strahlensterilisation, die besondere Eignung von Catgut und Polyesther für diese Sterilisationsart wurde entdeckt.


Nahtmaterial

Durchtrennte  Gewebe (Haut,  Faszie, Darm) werden heute durch Nähte, Klammern oder Klebstoffe adaptiert. Die Naht unterstützt und verkürzt die Heilung indem sie Gewebe aneinander annähert. Unterschieden wird zwischen nicht-resorbierbaren Fäden (Metall, Seide, Zwirn, synthetische Stoffe) und resorbierbarem  Nahtmaterial   (Catgut, Chromcatgut, Polyglykolsäure = PGS, Polydioxanon = PDS).

Die klinisch maßgeblichen Qualitäten sind Sterilität, Gewebsverträglichkeit, Reißfestigkeit, Knotenfestigkeit und Manipulierbarkeit. Die Fadenstärke ist in der europäischen Pharmakopoe festgelegt und mit X/0 bezeichnet. Hohe X/0-Werte (z. B. 7/0-10/0) bedeuten besonders dünne Fäden.


Unterscheidung von Fadenmaterialien:

Einfachste Unterscheidung zwischen multi-, oder polyfilem und monofilem Material, die jedoch weiter unterschieden werden kann. Monofile Fäden werden durch ein Schmelzspinnverfahren hergestellt (Extrudieren). Die Vorteile sind durch die glatte geschlossene Oberfläche, keine Dochtwirkung und gute Gleiteigenschaft durch das Gewebe. Nachteile besonders der etwas dickeren Fäden sind die Drahtigkeit und der schlechtere Knotensitz.

Die polyfilen- oder mulifilen Fäden erhält man, indem man mehrere dünne Einzelfäden miteinander entweder verdreht, verflicht oder verzwirnt. Gezwirnte Fäden sind Leinenzwirn und Seide. Der Vorteil ist in der Hauptsache ein ausgezeichneter Knotensitz die Nachteile sind eine ausgeprägte Rauhigkeit, ein stark schwankender Durchmesser und durch die Längsrichtung der Einzelnfasern ist eine starke Kapillarität gegeben die sich auch durch eine entsprechende Beschichtung nur teilweise minimieren lässt.

Durch Verflechten gewonnene Fäden besitzen eine weitaus geringere Kapillarität, durch Imprägnieren lässt sich diese noch weiter vermindern. Auch die geflochtenen Fäden besitzen eine gewisse Rauhigkeit der Oberfläche. Die Knotensitzfestigkeit ist demgegenüber jedoch ausgezeichnet. Produkte die geflochten geliefert werden sind sogenannte NC-Seide, Polyamid- und Polyestherfäden.

Weiter existieren sogenannte pseudomonofile Fäden, bei denen gezwirnte oder geflochtene Fäden mit einem Überzug versehen werden, der die Gleiteigenschaft beim Gewebedurchzug verbessert. Die Knotensitzfestigkeit bei den beschichteten Fäden ist auch fast so gut wie bei den polyfilen Fäden.

 

Stärkeneinteilung:

Zu Beginn der industriellen Fadenpoduktion erfolgte die Bezeichnung des ersten gefertigten Fadens mit 1, alle nachfolgenden dickeren Materialien erhielten die aufsteigende Kennzeichnung 2, 3, 4 usw. Schwierigkeiten bei den Bezeichnungen ergaben sich als dünnere Fäden verlangt wurden. Den ersten Faden der darauf gefertigt wurde, konnte noch mit 0 bezeichnet werden, dann folgte 2/0, 3/0, 4/0 usw.

Durch nationale Differenzen und Unterschiede der einzelnen Pharmekopöen , ergibt sich daß der Faden 0 eines bestimmten  Materiales unterschiedliche Durchmesser besitzt. Dadurch ergeben sich auch Unterschiede bei den dickeren und dünneren Materialien.


Oberflächenglätte und Knotensitzfestigkeit

Die unterschiedliche Oberflächenbeschaffenheit beeinflusst die chirurgische Naht in mehrfacher Hinsicht. Rauhe Fäden werden beim Legen einer Naht als höherer Widerstand beim durchziehen des Fadens wahrgenommen (Extremfall: Sägeeffekt!), glatte Fäden sind demgegenüber relativ widerstandslos.

Umgekehrt sind polyfile Fäden im eindeutigen Vorteil bei der Knotensitzfestigkeit, die stärkere Reibung im Knoten verbunden mit den Durchmesserschwankungen verhilft hier zum Vorteil. Weitere Faktoren im Zusammenhang zur Knotensitzfestigkeit sind Fadenstärke, Knotentechnik, Quellbarkeit des Fadens und wie kurz ein Fadenende abgeschnitten wird.

Nahtmittelverträglichkeit

Jedes Fremdmaterial das in den Körper eingebracht wird, löst eine gewisse Gewebsreaktion aus. Dies hängt im Weiteren auch von der eingebrachten Art und Menge an Material ab oder von Chemikalienreststoffen die für die Herstellung notwendig waren (Weichmacher, Härtemittel, Farbstoffe, Katalysatoren etc).

Eine Unverträglichkeit liegt dann vor, wenn die Wundheilung gestört ist oder das umliegende Gewebe zerstört wird.

Sterilität

Die Rohstoffe aus denen die verschiedenen Materialien hergestellt werden, sind je nach Herkunft und Beschaffenheit unterschiedlich keimhaltig. Hier besonders zu nennen ist naturgemäß das Catgut, dessen Rohstoff tierischer Darm ist wie der menschliche naturgemäß stark keimhaltig. Auch die Rohseide und der Leinenzwirn ist sowohl verunreinigt als auch verkeimt. Nur die Rohstoffe der Kunststoffäden sind im Grunde genommen steril. Auch bei Metallen ist die Keimanhaftung sehr gering. Diese besitzen auch eine bakterizide oder baktriostatische (oligodynamische) Wirkung, die bakterielle Verunreinigung gering hält. Grundsätzlich gilt: polyfile Fäden können Keime im ganzen Geflecht enthalten, monofile "nur" an ihrer Oberfläche.

Bei der Sterilisation hat sich nach der Abwägung der Vor- und Nachteile inzwischen allgemein folgende Verfahren durchgesetzt. Gammastrahlen bei: Seiden-, Polyamid-, poyesther- und Catgutfäden. Die Sterilisation mit Ethylenoxyd bei: Zwirn-, resorbierbaren Kunststoff- und Polypropylenfäden.

Von einer Resterilisation von Nahtmitteln wird gleich welchen Verfahrens dringend abgeraten.

Resorbtion und Auflösung von chir. Fäden

Heute ist sicher, daß die alte Einteilung in resorbierbares und nicht resorbierbares Nahtmaterial so nicht mehr gehalten werden kann. Neben die Resorbtion und die Absorbtion muß heute der Zerfall gestellt werden. Dieser betrifft die lange Zeit für im Körper für nicht auflösbar gehaltenen Leinenzwirn, Seiden, Polyamid und auch Polypropylenefäden. Diese Auflösung dauert über Jahre hinweg und geschieht vermutlich zunächst durch Zerfall und anschließende Phagozytose bei Seide und Zwirn und bei den

 Kunststoffäden durch Depolymerisation.

Verpackung

Die früher üblichen Spulenrollen die in ihrer Anwendung unhandlich und zeitraubend waren, haben sich seit längerem die Einzelfadenverpackungen durchgesetzt. Diese sind anwenderfreundlich und ökonomisch. Dank großindustrieller Fertigungsmethoden sind diese auch bei unbeschädigter Verpackung sicher steril und der Faden von gleichbleibender Qualität.

Resorptionszeit

Dieser Begriff umschreibt die Zeit, in der ein Material 50% seiner Festigkeit eingebüßt hat. Die Resorptionszeit entspricht der Absorptionszeit ist aber nicht zu verwechseln mit der Auflösungszeit, die das völlige Verschwinden des Nahtmaterials meint.

Folgende Tabelle zeigt die "normale" Resorptionszeit von verschiedenen gebräuchlichen chirurgischen Nahtmaterialien:


Die Angaben zu Resorption, Zerfall und Auflösung sind jedoch nur Richtwerte, da für den Abbau weitere Faktoren wichtig sind. So gab es früher bei Catgut Plain nur hitzesterilisirtes Material welches eine beträchtlich kürzere Resorptionszeit hatte, als das heute übliche welches mit Ethylenoxid behandelt wird. Weiter ist die Zeitdauer von der Art des Gewebes abhängig wo das Material eingebracht wird, in bradytrophem Gewebe ist auch der Abbauprozeß verzögert. Während dem im entzündetem Gewebe die Resorption beschleunigt abläuft.

An Nahtmaterial steht heute zur Verfügung:

Übersicht

Metall:  Chrom-Nickel-Eisenverbindung (V2A-Stahl).

Eigenschaft: Hohe Reißfestigkeit, Gewebeverträglichkeit, keine Dochtwirkung, bakteriostatische und bakterizide Wirkung.

Nachteil: Korrosion, Metallose.

Seide: Geflochtener Naturseidefaden.

Eigenschaft: Geringe Elastizität, Geschmeidigkeit und sehr gute Knüpfeigenschaften.

Nachteil: Ausgeprägte Fremdkörperreaktion, Dochtwirkung (Infektionsbegünstigung). Bei besonderer Imprägnierung des Fadens keine Dochtwirkung (NC-Seide: non capillary silk).

Resorbierbarer Kunststoff: Polymere der Glykolsäure (Dexon® = PGS), Copolymere aus Glykolyd und Lactid (Polyglaktin = Vicryl® = PGS), Polymere aus Dioxanon (Polydioxanon = PDS). Monocryl®  und Monosynth®. Nach den Herstellerangaben beträgt die verbleibende Reißkraft der PDS/Maxonfäden nach etwa 14 Tagen 75%, nach 28 Tagen ca. 50% und ist nach etwa 6 Monaten abgeschlossen.

Panacryl®  ist ein neues Nahtmaterial, das eine geflochtene Grundstruktur (Copolymer aus 5% Glykolid und 95% Lactid) aufweist, die aber beschichtet ist (90% Caprolacton und 10% Glykolid). Dadurch verhält sich der Faden bei der Gewebspenetration wie ein monofiler Faden, beim Knüpfen jedoch wie ein Polyfiler. Außerdem ist die Resorptionszeit deutlich verlängert: nach 3 Monaten ist noch 80% der Ausgangsreiskraft vorhanden und nach 6 Monaten noch 60%. Die vollständige Resorption ist erst nach 1,5 bis 2,5 Jahren abgeschlossen.

Eigenschaften: Spaltung im Gewebe durch Hydrolyse in Glykol und Milchsäure, die im intermediären Stoffwechsel abgebaut wird. Resorption 42 Tage, PDS ca. doppelt so lange. Geringe Fremdkörperreaktion.

Nachteil: Rauhe Oberfläche (PGS), nach Beschichtung besser.

Jede Nahtsubstanz erzeugt eine spezifische Fremdkörperreaktion. Das Ausmaß der

Bindegewebsreaktion steigt in folgender Reihenfolge: Stahl, Polyester, PDS, PGS,

Seide, Leinen, Zwirn, Catgut und Chromcatgut.

Für die Anwendung der einzelnen Materialien ergibt sich daraus:

1.      Hautnaht: Stahl- oder monofiler Kunststoffaden, Klebestreifen (Steristrips), Klammern.

2.     Versenkte Naht: Resorbierbarer Kunststoffaden.

3.     Schleimhautnaht: Catgut bei zweireihiger Nahttechnik, sonst PGS.

4.     Gefäßnaht: Nichtresorbierbares und resorbierbares, synthetisches Nahtmaterial. Zur Ligatur von kleineren Gefäßen resorbierbarer Kunststoff.

5.     Faszien und Aponeurosen: Resorbierbare oder nicht resorbierbare Kunststoffäden, Draht.

6.     Infizierte Wunden: Resorbierbares synthetisches Nahtmaterial.

Catgut steht heute wegen seines Bovinen Ursprunges entgültig nicht mehr zur Verfügung.

Catgut/Chromcatgut

Material: Kollagen, hergestellt aus dem Dünndarm von Rind oder Schaf. Verzwirnter geschliffener Faden mit Resorptionszeit von 8-12 Tagen. Durch Gerbung mit Chromsalzen wird die Resorptionszeit verdoppelt (Chromcatgut).

Eigenschaften: Niedrige Knotenreißkraft, in kurzer Zeit resorbierbar, fermentative Spaltung mit heftiger Bindegewebsreaktion.

Übersicht über die gängigsten Fäden und deren Einteilung

Resorbierbar, monofil, tierischer Ursprung:                    Catgut, Chromcatgut, Kollagen

Resorbierbar, monofil, synthetisch:                                 PDS II, Maxon, Monocryl

Resorbierbar, polyfil, synthetisch:                                              Dexon, Vicryl, Vicryl-Rapid

Nicht resorbierbar, monofil, tierischenUrsprungs:        Seide

Nicht resorbierbar, monofil, pflanzlichen Ursprungs:    Leinenzwirn

Nicht resorbierbar, monofil, synthetisch:                        Resolon, Mopylen, Prolene, Dafilon, Miralen, Premilene, Novafil, Dermalon

Nicht resorbierbar, monofil, metallisch:                           Stahldraht

Nicht resorbierbar, polyfil, synthetisch:                          Supramid, Mersilene, Dargofil, Synthofil

Quelle: http://www.matthias-traub.de/naht.html

Literatur:

Nockemann, Paul Ferdinand                                              

Die chirurgische Naht                                                                                             

Thieme Verlag

Schumpelick, Volker et al.                                                 

Chirurgie                                                                                              

Enke Verlag

B.Braun Melsungen                                                             

Der Wundverschluß im OP

 

 OPI

Yvonne Denker:

 Atemtherapie in der postoperativen Pflege

Medizinische Einrichtungen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
Fachweiterbildung für Intensivpflege und Anästhesie Kurs 1997 / 1999

Inhalt:

1. Einleitung

1.1 Maßnahmen
1.2 Voraussetzungen
1.3 Gefahren

2. Patientenbeispiel

2.1 Problembeschreibung
2.2 Zielsetzung

3. Durchführung

4. Dokumentation & Reflektion

1. Einleitung

Die normalen Reinigungsmechanismen unserer Lunge beruhen auf einer ungestörten Funktion von Schleimhaut und Hustenmechanismen. Kommt es zu einer Störung, können Sekretverhaltung in der Lunge mit Erhöhung des Atemwegswiderstandes, Atelektasenbildung und Infektion die Folge sein.

Das Ausmaß der postoperativen pulmonalen Störungen ist von verschiedenen Faktoren abhängig:

präoperative Faktoren: pulmonale Vorerkrankungen, Übergewicht, kardiovaskuläre Erkrankungen, höheres Alter, Raucheranamnese, neurovasculäre Erkrankungen, Allgemeinzustand

intraoperative Faktoren: Lagerung, Anästhesieverfahren, Art der Operation, Dauer der Operation

postoperative Faktoren: Überhang von Anästhetika, Schmerzen, Opiatanalgesierung, Thoraxkompression durch Verbände

1.1 Maßnahmen

Die postoperative Atemtherapie umfaßt alle Maßnahmen, die zur Prophylaxe und Behandlung von pulmonalen Störungen angewandt werden. Sie dienen unter anderem dazu den Selbstreinigungsmechanimus der Lunge zu unterstützen, um somit Komplikationen wie Pneumonie und Atelektasen zu vermindern bzw. zu vermeiden.

Folgende Maßnahmen stehen uns zur Verfügung:

  1. Einatmungsprovokation mittels kühlender Lösung, Einreibung mit hyperämisierenden, ätherischen Ölen wie z.B.: Pinimenthol ( schleimlösend durch Eukalyptus, durchblutungs- fördernd durch Kiefernadelöl, kühlend durch Menthol)
  2. Atemübungen wie z.B.: Zwerchfellatmung, Thoraxdehnung, Abhustentraining
    Hierdurch wird der Patient zum bewußten Atmen angehalten. Nach großen Operationen kommt es häufig zu einer veränderten thorakoabdominellen Atem- und Bewegungsmotorik, vorwiegend durch eine Fehlfunktion des Zwerchfells. Die liegende Position und schmerzbedingte Verspannung bewirken eine Volumenreduzierung des intrathorakalen Raumes und führen zu einer eingeschränkten Ventilationsbewegung. Die überwiegend thorakale Atmung führt zu einer vermehrten Belüftung der kranialen Lungenanteile, die kaudalen Anteile werden hypoventiliert, die Gefahr von Atelektasen und Infektionen steigt.
  3. Klopf-/ Vibrationsmassage
    Lockerung und Abtransport des Sekrets durch Erhöhung des aus zu atmenden Luftstromes. Das Abklopfen verfolgt das Ziel, die Luft in der Luge in Schwingungen zu versetzen.
  4. Lagerungsdrainagen
    Gezielte Sekretmobilisation aus den peripheren Lungenabschnitten in die Trachea durch Ausnutzung der Schwerkraft (ärztliche Anordnung).
  5. Frühmobilisation: Bettkante, Sessel, Gehübungen Bessere Ausdehnung von Zwerchfell und Thorax möglich.
  6. Sauerstofftherapie über Nasensonden/ Brillen und Masken mit adäquater Anfeuchtung Anhebung des arteriellen pO2
  7. Apparative Atemhilfen wie z.B.: Giebelrohr, CPAP (kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck), IS (Incentive "anreizende" Spirometrie) wie z. B.: den Coach
  8. Pharmakologische Unterstützung z.B.: durch Mucolytica und Spasmolytica

1.2 Voraussetzungen

Folgende Voraussetzungen sind für eine erfolgreiche Atemtherapie notwendig:

  1. Patienten ausreichend über den Zweck der Maßnahmen informieren
  2. Motivation des Patienten zur Mithilfe und Motivation der Pflegekraft zur Durchführung
  3. Ausreichende Flüssigkeitszufuhr
  4. Ausreichende Analgesie
  5. Atem- und Schmerzerleichternde Lagerung
  6. Ausreichend Zeit zur Durchführung

1.3 Gefahren

Postoperative Atemtherapie ist sehr wichtig, kann aber auch Gefahren mit sich bringen, deshalb immer beachten:

  1. Bei der Anwendung von ätherischen Ölen, Salben und Medikamenten Allergien schon im Vorfeld ausschließen.
  2. Lagerungsdrainagen sind keine normale Lagerung, bequeme und unterstützende Lagerung ermöglichen. Keine Anwendung bei Rippen- und Wirbelfrakturen, Thoraxtraumen, akuten Herz- und Kreislaufstörungen, Operationen im Thoraxbereich, bei Schädel- Hirn-Traumata, akuten Blutungen und durch die Lagerung ausgelöste starke Schmerzen
    Lagerungsdrainagen nur auf ärztliche Anordnung und nach Diagnosestellung anhand des Röntgenbildes welche Lungenabschnitte betroffen sind
  3. Überforderung des Patienten vermeiden, da es ansonsten zu einem ungewollten Anstieg des Blutdruckes, der Herzfrequenz und der Atemfrequenz bis hin zur Hyperventilation kommen kann.
    Mobilisation vorsichtig und unter Berücksichtigung der Herz- Kreislaufsituation durchführen, Kollapsgefahr.
  4. Schmerzen und Behinderung der Atmung durch zu starken Druck der Hände z.B.: bei der Zwerchfellatmung vermeiden.
  5. Bei Atemübungen immer darauf achten, daß der Patient nicht vorwiegend durch den Mund einatmet, da so die reinigende und erwärmende Funktion der Nase ausgeschlossen wird.

2. Patientenbeispiel

Am frühen Nachmittag übernehme ich Herrn B. vom allgemeinchirurgischen Aufwachraum.
Bei Herrn B. wurde aufgrund eines Pankreaskopfkarzinoms eine partielle Duodenopankreatektomie (Whipple Operation: Entfernung des Pankreaskopfes, wobei aus anatomischen Gründen das Duodenum, der distale Gallengang, die Gallenblase und der distale Magen mitentfernt werden müssen) durchgeführt.

Der Eingriff hatte 4 Stunden gedauert und verlief komplikationslos. Präoperativ erfolgte die Anlage eines Peridualkatheters, die Schmerzpumpe (PCEA) lief bei Übernahme auf 5 ml/h.

Herr B. wurde 1 Stunde im Aufwachraum überwacht, er ist in einem guten Allgemeinzustand, ist kreislaufstabil: RR 145/75, HF 78, SaO2 93% unter Raumluft, unter 4l O2 lag der Durchschnittswert bei 98%.

Herr B. ist noch etwas schläfrig, aber jederzeit erweckbar und orientiert. Er gibt keine Schmerzen oder Atemprobleme an. Herr B. ist 56 Jahre alt, selbständiger Steuerberater, verheiratet, 2 Kinder. Es bestehen keine wesentlichen Vorerkrankungen oder Allergien, Herr B. ist Nichtraucher und sportlich sehr aktiv , die Erkrankung ist bei einer Routineuntersuchung festgestellt worden.

Auf der Station wird Herr B. zunächst an den Monitor angeschlossen. Blutdruck und zentraler Venendruck werden kontinuierlich über die liegenden Katheter (Art. rad. re. und V. jug. re) gemessen, im weiteren werden das EKG, die Atemfrequenz und die periphere Sauerstoffsättigung (SaO2) überwacht. Herr B. hat einen suprapubischen Blasenkatheter, eine Robinson Drainage und eine Easyflow Drainage.

2.1 Problembeschreibung

Herr B. zeigt unter Raumluft eine SaO2 von 92%, das postoperativ angefertigte Röntgenbild zeigt kleinere Atelektasen in beiden Unterlappen. Herr B. atmet flach und oberflächlich, auf meine Frage ob er Schmerzen hätte gibt er jetzt Schmerzen beim tiefem Luft holen und Husten an.

Außerdem habe er das Gefühl Schleim in der Lunge zu haben, den er nicht aushusten kann.

2.2 Zielsetzung

  1. Schmerzfreies Atmen
  2. Atemübungen, besonders bewußt machen der Zwerchfellatmung und Abhustentraining
  3. Sekretlockerung und Mobilisation
  4. Eröffnung der bereits bestehenden Atelektasen und Vermeidung weiterer
  5. Vermeidung einer Pneumonie
  6. SaO2- Werte um 97% unter Raumluft

3. Durchführung

Zunächst erhält Herr B. 4l Sauerstoff (O2) über eine O2-Brille, die Anfeuchtung des O2 erfolgt über einen O2-Sprudler.
Zur Schmerzlinderung gebe ich Herrn B. einen Schmerzmittelbolus über seine Schmerzpumpe, außerdem mache ich Herrn B. auf die Möglichkeit der selbständigen Schmerzmittelbolusgabe über die Schmerzpumpe aufmerksam. Ich erkläre ihm wie wichtig das schmerzfreie Durchatmen und Husten für ihn ist, zur Vermeidung von Sekretansammlungen, Atelektasen und Infektionen, außerdem mache ich ihn darauf aufmerksam, daß eine Überdosierung an Schmerzmitteln durch eine eingebaute Sperre nicht möglich ist.

Zur Entlastung der Bauchdecke erhält Herr B. eine Knierolle, der Oberkörper ist auf Wunsch des Patienten leicht erhöht. Zusätzlich verneble ich 2ml Mucosolvan Inhalationslösung passiv über den Inhalog, so wie es dem Standard der Station zur Sekretolyse entspricht.

Im Laufe des Nachmittages versuche ich Herrn B. immer wieder zum tiefen Durchatmen und Abhusten anzuhalten, was aber trotz Bolusgabe noch zu schmerzhaft ist. Unter der Gabe von 4l O2 hält sich Herr B. bei einer SaO2 von 96%, eine Reduzierung des O2 Gehaltes ist aber nicht möglich. Ich informiere den Schmerzdienst über die weiterhin bestehenden Schmerzen von Herrn B., daraufhin wird die Laufrate der Schmerzpumpe von 5ml/h auf 7ml/h erhöht.
In der nächsten Stunde kommt es zu einer deutlichen Besserung, außerdem ist Herr B. jetzt auch richtig wach und motiviert und spricht mich selbständig auf Atemübungen an.

Zunächst üben wir die Zwerchfellatmung. Damit ich bei Herrn B. keine Schmerzen durch zu starken Druck auf den Bauch auslöse, bitte ich ihn direkt seine Hände mit leichtem Druck auf die vordere Basis der Rippen zu legen und gleichmäßig ein und aus zu atmen, er soll so bewußt seine Atmung spüren. Dann bitte ich ihn gleichmäßig durch die Nase einzuatmen und das Zwerchfell zu benutzen "um seinen Bauch aufzufüllen". Das Ausatmen erfolgt über den Mund wobei wieder ein leichter Druck auf die Rippenbasis ausgeübt wird. Diese Übung wird 5 mal wiederholt. Herr B. führt sie gewissenhaft durch und fragt mich mehrmals ob er alles richtig macht. Ich fordere ihn auf diese Übung immer wieder selbständig durchzuführen.

Um auch das Betten in die Atemtherapie mit einzubeziehen, lagere ich den Patienten mit Hilfe eines Kollegen bequem auf die rechte Seite und erhöhe das Fußende um ca. 25 cm. Auf eine weitere Erhöhung des Fußendes und die Unterlagerung der Hüfte mit einem Kissen müssen wir leider verzichten, da dies vom Patienten nicht toleriert wird.
Während mein Kollege neue Bettwäsche einspannt, reibe ich die linke Thoraxseite mit Pinimentholöl ein und führe eine Vibrationsmassage mit Hilfe eines Vibraxgerätes durch. Ich beginne mit einer grobschlägigen Einstellung des Gerätes für tieferliegende Lungenareale, nach 2 min wechsle ich für weitere 2 min auf eine feinschlägige Einstellung für oberflächlich liegende Areale. Nach dem Drehen wird die rechte Seite genauso von meinem Kollegen behandelt. Während der gesamten Maßnahme kontrollieren wir die Vitalparameter am Monitor und erkundigen uns beim Patienten nach seinem Befinden. Herr B. hat die Maßnahmen bisher problemlos mitgemacht. Nach Beendigung des Bettens helfen wir Herrn B. auf die Bettkante. Herrn B. ist es zunächst etwas schwindelig, was sich aber schnell bessert, die Vitalparameter bleiben stabil.

Jetzt erkläre ich dem Patienten wie er richtig abhusten soll.
Ich bitte ihn den Kopf leicht zu beugen, die Schultern leicht nach innen zu drehen und die Operationswunde durch leichten Händedruck zu stabilisieren.

Ich bitte ihn einmal tief durch die Nase einzuatmen und kurz schnaufend durch den Mund auszuatmen, danach dann wieder tief einzuatmen und mit offenem Mund kräftig und stoßweise zu husten. Zur Verdeutlichung zeige ich Herrn B. den Vorgang. Der Patient versucht jetzt wie vorgegeben zu husten und kann nach dem dritten Versuch sogar etwas Schleim abhusten. Ich bitte Herrn B. auch diese Übung immer wieder selbständig durchzuführen, für das eventuell abzuhustende Sekret stelle ich Herrn B. eine Nierenschale und Tücher auf seinen Nachtschrank.

Herr B. ist jetzt doch sehr geschafft, deshalb verzichte ich auf eine weitere Mobilisation und helfe ihm ins Bett zurück. Die SaO2 zeigte nach der Übung Werte um 97% unter Raumluft an, um den Wert über Nacht nicht zu verschlechtern ( evt. atmet Herr B. im Tiefschlaf wieder etwas flacher), gebe ich Herrn B. noch 2l O2 über die Nasenbrille.Vor Beendigung meines Spätdienstes lasse ich den Patienten nochmals mit Mucosolvan Inhalationslösung inhalieren.

4. Dokumentation & Reflektion

Alle schon aufgezählten Vitalparameter, den Stundenurin und die Wundsekretion habe ich stündlich auf der Tageskurve dokumentiert, zusätzlich habe ich die O2- Gabe und die Pumpenlaufrate vermerkt, sowie die durchgeführten Inhalationen und die Mobilisation auf die Bettkante.
Im Pflegebericht habe ich die durchgeführten Atemübungen, die Mobilisation und die große Motivation von Herrn B. vermerkt.

Reflektion

Dafür, daß Herr B. frisch operiert war, konnte ich schon sehr viel an Atemtherapie durchführen. Sehr hilfreich war natürlich die hohe Motivation des Patienten und der gute Allgemeinzustand. Außerdem hatte ich auch ungewöhnlich viel Zeit für den Patienten, da es an diesem Nachmittag sehr ruhig auf der Station war.

Im Verlauf kann man die Atemtherapie sicherlich noch erweitern, durch vermehrte Mobilisation z.B.: ans Waschbecken oder ins Bad und die Anwendung einer anreizenden Spirometrie z.B.: den Coach. Hierbei atmet der Patient langsam aus der Atemruhelage ein bis er seine totale Lungenkapazität erreicht hat. Durch die tiefen Atemzüge und verlängerte Inspirationszeit (>3s) soll der pulmonale Gasaustausch verbessert werden. Außerdem soll eine gleichmäßige Verteilung der Atemluft in Lungenbereichen, für deren Belüftung eine längere Zeit notwendig ist, erreicht werden. Durch die einfache und praktische Handhabung kann der Patient immer wieder selbständig Übungen durchführen, durch die Volumenangabe am Gerät kann der Patient seine Erfolge selbst feststellen, was die Motivation noch steigern kann.

Bei ausgeprägteren Atelektasen, eingeschränktem Gasaustausch und damit verbundenem höheren O2- Bedarf hätte man noch an die Anwendung eines CPAP- Gerätes denken können.

 

 Leitlinien zur Primärversorgung von Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma

Wissenschaftlicher Arbeitskreis Neuroanästhesie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin

Arbeitsgemeinschaft Intensivmedizin und Neurotraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie


Die Prognose des Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma hat sich in den vergangenen 20 Jahren deutlich verbessert. Weil diese Entwicklung bei Patienten mit schwersten Traumen nicht zu beobachten ist, muß die Verbesserung auf die zunehmende Qualität der posttraumatischen Versorgung zuruckgeführt werden. Dies beinhaltet u.a. die Fortschritte der Notfallrettung, der bildgebenden Verfahren, des Neuromonitoring und der Intensivmedizin.

Die Wirksamkeit der Behandlung weist in der Frühphase die höchste Effizienz auf ("golden hour of shock"); demzufolge ist eine weitere Verbesserung der Prognose in erster Linie von einer Optimierung der Akutbehandlung in der Prähospitalphase zu erwarten.

Verschiedene internationale und interdisziplinäre Expertengruppen arbeiten an Empfehlungen mit dem Ziel der Standardisierung der Primärversorgung des Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma; u.a. die Brain Trauma Foundation, das European Brain Injury Consortium und die European Society for Intensive Care Medicine.

Wegen der erheblichen Unterschiede der Infrastruktur und der Ausgestaltung des Rettungswesens stellen international erarbeitete Empfehlungen immer einen Minimalkonsens dar. Ziel der hier formulierten Leitlinien ist die Anpassung an die in Deutschland gegebenen Voraussetzungen. Die Empfehlungen sind von der Arbeitsgemeinschaft Intensivmedizin/Neurotraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie und dem Wissenschaftlichen Arbeitskreis Neuroanästhesie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) unter Beteiligung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) erarbeitet worden und basieren auf dem derzeitigen Stand gesicherter Erkenntnisse.

Es liegt in der Natur der Sache, daß derartige Empfehlungen in unregelmäßigen Abständen überarbeitet werden müssen, so wie es sich bei der American Heart Association bewährt hat.

Die im folgenden abgedruckten Empfehlungen sind am 20.11.1996 vom erweiterten Vorstand der DGNC und am 29.11.96 vom Präsidium der DGAI gebilligt worden.

Für Hinweise zur Fortschreibung dieser Empfehlungen sind die Unterzeichnenden jederzeit dankbar.


1. Vorwort

Die Erstversorgung von Patienten mit Schädel-Hirn-Traumen (SHT) aller Schweregrade beginnt am Unfallort durch geschultes medizinisches Personal *. Sie hat folgende Ziele:

  • Sicherung der Vitalfunktionen Atmung und Kreislauf,
  • Beurteilung der Bewußtseinslage und des Verletzungsmusters,
  • Stabilisierung der Halswirbelsäule (HWS).

Weitere wichtige Faktoren der Erstversorgung sind die Erhebung und Dokumentation des Unfallhergangs sowie Einlieferung des Patienten in eine seiner Verletzungsschwere angemessene Fachabteilung.

Nachfolgende Empfehlungen wurden von der Arbeitsgemeinschaft "Intensivmedizin und Neurotraumatologie" der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie und dem "Wissenschaftlichen Arbeitskreis Neuroanästhesie" der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin unter Beteiligung der "Sektion Rettungswesen" der DIVI erstellt und seitens der DGAI in den Fußnoten spezifiziert. Die Empfehlungen repräsentieren den allgemeinen aktuellen Stand der Erstversorgung, die jedem Patienten mit einer Schädel-Hirn-Verletzung in Deutschland zuteil werden sollte.

* Sanitäter: Rettungsassistent, Arzt: Fachkunde Rettungsdienst oder Zusatzbezeichnung Rettungsmedizin

2. Epidemiologie der Schädel-Hirn-Verletzungen

In Deutschland gibt es keine exakten epidemiologischen Daten über Häufigkeit, Schwere und Art von Schädel-Hirn-Verletzungen. Nach den Erhebungen des Bundesamtes für Statistik starben 1994 insgesamt etwa 10.000 Patienten an den Folgen eines SHT. Über die Häufigkeit mittelschwerer und leichter Schädel-Hirn-Traumen, insbesondere wenn ein SHT als Begleitverletzung im Rahmen eines Polytraumas auftritt, liegen keine konkreten Daten vor. Schätzungen gehen von 200 - 300 Patienten mit Schädel-Hirn-Traumen aller Schweregrade auf 100.000 Einwohner jährlich aus.

3. Untersuchung des Verletzten, Dokumentation der Befunde

Anamnese und Befund werden anhand des Notarzteinsatzprotokolls der DIVI, bei Patienten mit leichteren Verletzungen anhand des Rettungsdienstprotokolls der DIVI erhoben und dokumentiert. Besondere Sorgfalt ist der Dokumentation des Glasgow Coma Score (GCS), der motorischen Funktion aller Extremitäten und der initialen Bewußtseinslage zu widmen.

Anmerkungen zu dieser Empfehlung:

Die Dokumentation des neurologischen Befundes in 3.1. des DIVI-Notarztprotokolls bzw. im entsprechenden Abschnitt des Rettungsdienstprotokolls muß mit dem Zeitpunkt der Befunderhebung versehen werden.

Die Prüfung auf einen Meningismus muß bei Vorliegen eines SHT unterbleiben (wegen möglicher gleichzeitiger HWS-Verletzung).

Ein vollständiger Satz aller Einsatzprotokolle verbleibt beim Patienten. Dies sicherzustellen, ist Aufgabe aller zuvor behandelnden Stellen.

Um auch im Nachhinein noch offene Fragen klären zu können (z.B. die Frage, ob ein primäres SHT oder ein "Unfall aus innerer Ursache" vorliegt), ist sicherzustellen, daß die Namen des Notarztes und der Rettungsassiatenten auf dem Einsatzprotokoll vermerkt wird.

4. Stabilisierung der Vitalfunktionen

Vorbemerkungen

Arterielle Hypotonie und Hypoxämie sind die Hauptursachen des sekundären Hirnschadens nach einer Schädel-Hirn-Verletzung 1,2. Trotz des flächendeckenden deutschen Rettungs- und Notarztwesens ist bei etwa 15 - 20 % derart Verletzter mit dem Auftreten einer Hypoxämie, bei etwa 10 - 15% mit einer Hypotonie zu rechnen 3.

Die Prävention der Hypoxämie und Hypotonie ist geeignet, die Prognose von Patienten mit SHT zu verbessern 2,4-6. Aus diesem Grunde sind primäre Behandlungsziele bei Patienten mit SHT die Wiederherstellung bzw. Sicherung von Atmung und Kreislauf an der Unfallstelle und während des Transportes.

Die Aufrechterhaltung eines ausreichend hohen zerebralen Perfusionsdruckes (CPP) ist wesentliches Therapieziel im Patientenmanagement nach SHT. Wird die untere Schwelle der zerebralen Autoregulation unterschritten, droht die zerebrale Ischämie. Befunde zum CPP in der Prähospitalphase fehlen. Aus intensivmedizinischen Daten läßt sich extrapolieren, daß bei Erwachsenen mit schwerem SHT zur Vermeidung ischämischer Sekundärschäden ein CPP von 70 mmHg nicht unterschritten werden soll. Bei z.B. nur leicht gesteigertem ICP auf 20 mmHg erfordert dies einen mittleren arteriellen Blutdruck von 90 mmHg (entspricht 120 mmHg systolisch).

Atmung

Alle bewußtlosen Patienten (GCS-Score < 9) werden, endotracheal intubiert und beatmet, so rasch dies ohne zusätzliche Gefährdung des Patienten möglich ist Bei Patienten mit einem GCS > 8 und zusätzlichen Verletzungen, die eine rasche Verschlechterung der Spontanatmung befürchten lassen (z.B. schwere Mittelgesichtsverletzungen, hohe Querschnittslähmung) ist die Indikation zur Intubation und Beatmung ebenfalls großzügig zu stellen **.

Die Intubation erfolgt primär orotracheal. Bei etwa 10 % aller Patienten mit SHT ist mit einer begleitenden Wirbelsäulenverletzung zu rechnen 7-11, die sich allein klinisch nie ausschließen läßt. Die Intubation erfolgt in leichter Reklination des Kopfes. Dieser wird durch einen Helfer manuell fixiert. Seitwärtsdrehung und Anteflexion sind unbedingt zu vermeiden. Erfolgt die Intubation erst in der Klinik, ist die fiberoptische Intubation zu erwägen. Zur Vermeidung einer akzidentellen Extubation ist unbedingt auf die sichere Fixierung des Tubus während des Transportes und diagnostischer Maßnahmen zu achten.

Primär nicht intubationspflichtigen Patienten mit leichteren Verletzungen wird O2 verabreicht (6 L/min. über Maske oder 3 L/min. über Nasensonde). Die Oxygenierung wird pulsoxymetrisch überwacht; die periphere Sauerstoffsättigung soll > 95 % betragen. Die Möglichkeit der Fehlmessung durch Hypothermie und Zentralisation muß bedacht werden. Bei der Beatmung wird beim normotonen Erwachsenen die Normoventilation angestrebt; bei kapnometrischer Überwachung entspricht dies einem endexspiratorischen CO2-Partialdruck (PET CO2) von ca. 35 mmHg. Die "prophylaktische" Hyperventilation kann eine zerebrale Ischämie verstärken 12,13 und ist in der Prähospitalphase zu vermeiden.

** Der bei jedem Traumapatienten gegebenen besonderen Aspirationsgefahr (Pat. ist nie als nüchtern anzusehen, überdurchschnittlich häufig kommt es zum Erbrechen) ist Rechnung zu tragen.

Kreislauf

Bei schwerem und mittelschwerem SHT werden zwei, bei leichtem SHT wird ein großlumiger peripherer Zugang angelegt und sicher fixiert. Die Anlage eines zentralvenösen Zugangs am Unfallort, bzw. vor der Krankenhauseinlieferung ist im allgemeinen nicht indiziert. Therapieziel bei Hypotonie ist ein mittlerer arterieller Blutdruck von ca. 90 mmHG, der so rasch wie möglich erreicht werden soll. Eine Hypertonie ist zumeist Folge einer nicht ausreichenden Analgesierung bzw. Sedierung. Ist diese Ursache ausgeschlossen, sollten erhöhte Blutdruckwerte nicht durch die Gabe vasoaktiver Substanzen gesenkt werden (Cave: CPP-Abfall!). Die Kombination Hypotonie/Bradykardie weist oft auf eine Verletzung des Rückenmarks hin. Eine intrakranielle Blutung oder ein subgaleales Hämatom ist beim Erwachsenen nie Ursache eines hämorrhagischen Schocks. Ein hämorrhagischer Schock weist auf eine extrakranielle Blutungsursache hin. Bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern können intrakranielle Blutungen und Hämatome der Galea dagegen kreislaufwirksam sein.

5. Medikamentöse Behandlung

Volumentherapie

Bei hämorrhagischem Schock ist sofort die Volumensubstitution einzuleiten. Diese ist bis zum Erreichen einer adäquaten Zirkulation fortzuführen. Isotone Lösungen (z. B. Ringerlösung, NaCl 0,9%) und Kolloide sind Mittel der Wahl. Hypotone kristalloide Lösungen (z. B. Glukose 5%, Ringer-Laktat-Lösung) begünstigen ein Hirnödem 14. Die Zufuhr hypertoner Lösungen in der Prähospitalphase ist in klinischer Erprobung 15-18.

Analgetika, Sedativa

Die ausreichende Sedierung und Analgesierung sind besonders bei intubierten und beatmeten Patienten zu gewährleisten. Sedativa und Analgetika sind nach Wirkung zu titrieren, weil eine Überdosierung speziell bei hypovolämischen Patienten eine Hypotonie bewirken kann. Zur Intubation empfiehlt sich die Kombination eines Opioids mit einem Hypnotikum, für die Analgosedierung während des Transportes die eines Opioids mit einem Benzodiazepin von kurzer Wirkungsdauer. Ist die Analgosedierung eines nicht intubierten Patienten indiziert (z. B. Agitiertheit, Schmerzen), sollte ebenfalls ein Opioid mit einem Benzodiazepin verabreicht werden; unter Umständen ist hierbei auch eine Intubation in Kauf zu nehmen. Differentialdiagnostisch ist zuvor Sauerstoffmangel bzw. ein hämorrhagischer Schock als Ursache der Agitiertheit auszuschließen ***.

*** Die Analgosedierung des spontanatmenden Patienten erfolgt zurückhaltend und titriert; bei Kombination von Opioiden mit Benzodiazepinen ist von einer wesentlichen Beeinträchtigung der Spontanatmung auszugehen. Im Einzelfall, z.B. bei eingeklemmten Patienten, kann niedrig dosiertes Ketamin verabreicht werden.

Vasoaktive Substanzen

Gelingt es nicht, die arterielle Hypotonie innerhalb weniger Minuten durch Volumengabe zu beheben, ist die Gabe vasoaktiver Substanzen indiziert. Die Überlegenheit eines bestimmten Präparates ist nicht erwiesen.

"Neuroprotektive" Medikamente

Für Patienten mit Schädel-Hirn-Verletzungen ist die Wirksamkeit einer speziellen Medikation (z.B. Kortikosteroide, Kalziumantagonisten, Barbiturate, Trispuffer) nicht belegt. Die routinemäßige Gabe des Mannitols als Osmodiuretikum ist in der Prähospitalphase nicht indiziert. Verschlechtert sich die Bewußtseinslage eines Patienten und tritt gleichzeitig eine Anisokorie als Hinweis auf eine Steigerung des ICP ein, kann die Kurzinfusion von Mannitol (0.3-1.5 g/kg KG über 15 min) erwogen werden.

6. Wundversorgung/Wundbehandlung

Bei perforierenden Kopfverletzungen sind Fremdkörper grundsätzlich in situ zu belassen: durch das Entfernen kann eine bislang tamponierte Blutung verstärkt werden. Offene Verletzungen mit Austritt von Hirnsubstanz werden feucht und steril abgedeckt. Spritzend blutende Kopfschwartenwunden können Ursache erheblichen Blutverlustes sein. Eine provisorische Blutstillung (z.B. Fassen des blutenden Gefäßes mit einer Klemme, Kompressionsverband) hat zu erfolgen.

7. Transport und Überwachung des Patienten

Monitoring

Die Monitoringeinrichtungen für Krankenkraftwagen sind in der DIN EN 1789 festgelegt. Für Rettungsfahrzeuge sind vorgeschrieben: manuelles und automatisches Blutdruckmeßgerät, Pulsoxymeter, Stethoskop, Thermometer, EKG-Sichtgerät, Beatmungsmonitoring entsprechend DIN EN 794-3 (Atemwegsdruck, Atemzeitvolumen, inspiratorische Sauerstoffkonzentration).

Bei Patienten mit mittelschweren und schweren SHT werden neben den Kreislauf- und Beatmungsparametern die kontinuierliche Pulsoxymetrie (DIN EN 865) und bei beatmeten Patienten die Kapnometrie (DIN EN 864) in das Atemmonitoring einbezogen. Die Überwachung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration erfolgt mit Sauerstoffmonitoren nach DIN EN 12598.

Liegen keine Begleitverletzungen vor, werden Patienten mit leichtem SHT zumindest mit Kranken- oder Rettungswagen, Patienten mit mittelschwerem oder schwerem SHT mit notarztbesetzten Rettungsmitteln transportiert. Die Entscheidung, ob der Transport eines Verletzten mit SHT auf dem Land- oder Luftweg erfolgt, ist von der individuellen Situation abhängig zu machen. Es sollte stets dem Transportmittel der Vorzug gegeben werden, das den Patienten auf dem schnellsten und schonendsten Wege in die nächste geeignete Klinik transportiert ****.

Bis zum endgültigen radiologischen Ausschluß einer HWS-Verletzung (bis BWK 1) ist bei allen Patienten mit SHT die Halswirbelsäule gesondert zu immobilisieren. Bei stabilen Kreislaufverhältnissen empfiehlt sich die Hochlagerung des Oberkörpers bis 30o. Bei instabilem Kreislauf wird der Patient flach gelagert.

**** Die Eignung des Krankenhauses ergibt sich aus dem Verletzungmuster und der Entfernung Eine detaillierte Voranmeldung bei dem anzufahrenden Krankenhaus ist erforderlich.

Sichtung

Eine effektive und schnellstmögliche Versorgung von Patienten mit SHT wird durch die primäre Einlieferung in das nächste geeignete Krankenhaus gewährleistet.

Liegt ein isoliertes Schädel-Hirn-Trauma vor, müssen im erstversorgenden Krankenhaus folgende Voraussetzungen gegeben sein:

Schwere des SHT

Apparative Voraussetzungen

Personelle Voraussetzungen

Leicht, gedeckt

Nativaufnahmen von Schädel # und Wirbelsäule jederzeit möglich

sofortige Beurteilung der Röntgenaufnahmen durch einen Arzt mit Facharztqualität; engmaschige (10minütige) Kontrollen von Bewußtseinslage und Pupillen

Mittel, gedeckt ##

Nativaufnahme von Schädel und Wirbelsäule, CT jederzeit möglich. Intensivmedizinische Versorgung

Vorzugsweise Versorgung in neurochirurgischer Abteilung / Klinik. Ansonsten jederzeit konsiliarische Betreuung durch Neurochirurgen. Sofortige fachärztliche Beurteilung der Röntgenaufnahmen; engmaschige (10min.) Kontrollen von Bewußtseinslage und Pupillen.

Schwer, gedeckt; offen, alle Schweregrade

Nativaufnamen von Schädel und Wirbelsäule jederzeit möglich. Intensivmedizinische Versorgung

Versorgung in neurochirurgischer Abteilung / Klinik mit 24stündiger OP-Bereitschaft

# Wache bzw. nur leicht bewußtseinsgetrübte Patienten mit SHT und Schädelfraktur haben ein besonders großes Risiko, eine operationswürdige intrakranielle Blutung zu entwickeln 19.

## Gerade Patienten mit mittelschwerem SHT haben ein besonders großes Risiko, intrakranielle Komplikationen zu entwickeln und an diesen zu sterben ("talk and die" - Patienten; 7, 20-24).

8. Definitionen, Abkürzungen

Die Einschätzung der Schwere des Schädel-Hirn-Traumas erfolgt nach der Glasgow-Coma-Scale (GCS 25).

Schweres SHT:

GCS 3 - 8 Punkte

Mittelschweres SHT:

GCS 9 - 12 Punkte

Leichtes SHT:

GCS 13 - 15 Punkte

Direkt offenes SHT:

durchgehende Verletzung von Kopfschwarte, Schädelknochen und Dura, d.h. direkte Kommunikation des intrakraniellen mit dem extrakraniellen Raum.

Indirekt offenes SHT:

Kommunikation des intra- mit dem extrakraniellen Raum über Eröffnung von Nebenhöhlen (z.B. bei frontobasaler Fraktur).

ICP

= intrakranieller Druck

MAP

= mittlerer arterieller Blutdruck

CPP

= zerebraler Perfusionsdruck (definiert als MAP - ICP)

GCS

= Glasgow Coma Scale

DIVI

= Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin

 

Die Glasgow-Coma-Scale

Die Glasgow-Coma-Scale (GCS) bewertet verschiedene Reaktionen des Patienten mit vorgegebenen Punkten.
"Die Beurteilung nach der Glasgow-Coma-Scale läßt sich mehrmals täglich wiederholen und erlaubt somit eine gute Verlaufsbeurteilung. Zudem hat der Initialwert nach einer Schädel-Hirn-Verletzung einen prognostischen Wert für das 'outcome' des Patienten."

 

Zu bewertende Reaktion

beobachtete Reaktion

Punkte

Augen öffnen

spontan

auf Aufforderung

auf Schmerzreize

kein Augen öffnen

4

3

2

1

beste sprachliche Antwort

vollorientiert

unvollständig orientiert

verworren

unverständlich

keine

5

4

3

2

1

beste motorische Reaktion

Adäquat

gezielte Abwehr

unvollständige Abwehr

Beugesynergismen

Strecksynergismen

keine Bewegung

6

5

4

3

2

1

Quelle: http://www.anint.net/start/

 
PRAKTIKUM CHIRURGIE
Kursleiter: Dr. M. Mahfouz  
 
Marienhospital 1- Herne, Chirurgische Uniklinik
Dir. Prof. G. Hohlbach
Ruhr-Universität Bochum